Fotobuch Das Freisener Häuschen

1971 erbauten meine Großeltern ein Ferienhäuschen am Stadtrand von Freisen, einem kleinen Ort im Saarland. Sie zivilisierten den naturbelassenen Raum.
Heute, 40 Jahre später, hat die Natur den zivilisierten Raum wieder renaturalisiert.

Das Freisener Häuschen ist wieder bewohnt.
Von wem? Von jemandem, der immer da ist und sich nicht vertreiben lässt. Der Natur. Sie hat dort schon immer gelebt, doch seit den Siebzigern teilte sie sich die Fläche mit der Familie Dörr, die gemeinsam mit Freunden und Verwandten ein Haus baute, dort etliche Wochenenden und Urlaube verbrachte und eine wundervolle Zeit hatte. Seit dem Tod meiner Großeltern vor einigen Jahren lebt die Natur dort wieder alleine. Die verbliebenen Verwandten hatten andere Lebensziele und konnten sich mit den Träumen und Wünschen der Verstorbenen nicht identifizieren. Jedoch schätzten sie die erlebte Zeit und konnten das Haus deshalb nicht verkaufen. In seinem Innern, verschlossen hinter Fenstern und Türen, blieben die Erinnerungen wie ein Geheimnis gewahrt.
Da das Haus in diesem Sommer weiter verkauft wurde, habe ich mich vorher noch einmal auf den Weg ins Saarland gemacht, um Abschied von dem mir aus Kindertagen gut bekannten Ort zu nehmen. Außerdem interessierte mich, wie stark sich die Natur das Haus zurückerobert hatte.
Als ich das Torschloss öffnete und das Grundstück das erste Mal seit einem Jahrzehnt betrat, war alles verändert und dennoch vertraut. Überall hatte sich die Natur wieder ausgebreitet und selbst die kleinsten Winkel verändert. Fassaden waren mit Spinnweben überzogen, Zäune mit Löchern versehen, Wege zugewuchert und neue Pflanzen an den unwegigsten Stellen gesät.
Mir wurde klar, dass die Natur nie aufgibt und sich immer ihre Nische sucht. Meine Großeltern hatten sie geduldet, aber begrenzt. Nun hat sie sich wieder frei entfalten können und das Haus in die vor 1971 herrschende Wildnis zurück geführt.

Jeder Mensch hat andere Ziele, die sich in der Gestaltung seiner Umgebung und in der Nutzung seiner Zeit und Energie widerspiegeln. Eine neue Generation muss die Ziele der vorherigen meiner Meinung nach nicht verfolgen. Sie hat eigene Vorstellungen die Welt zu entdecken und zu gestalten. Diese Möglichkeiten sollte sie nutzen, denn nur so entwickelt sich eine neue Kultur. Abschied nehmen ist natürlich – einen Ort, dessen Erinnerungen und einen Lebensstil loszulassen, gehört zum Leben.

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Beschreibung

Zusätzliche Information

Verarbeitung

Hardcover und Klebebindung

Erscheinungsjahr

2012